Warum meine Zuckersucht eine neue Ritual-Routine brauchte, was Gewohnheiten damit zu tun haben und warum ich das mit normalen Ernährungsberatungen nicht geschafft habe
Bei dem Begriff Ritual kann man schnell an religiöse Rituale oder aber auch Abendrituale, die Kindern Geborgenheit durch einen allabendlichen Ablauf verschaffen, denken. Wird man ein bisschen kreativer, verbindet man mit einem Ritual etwas dunkles, mystisches oder sogar gruseliges. Ein unglücklicher Begriff, der sich leider schwer ersetzen lässt.
Eine Gewohnheit ist kein Ritual
Wie wärs stattdessen mit dem Begriff Gewohnheit. Eher nicht! Eine Gewohnheit ist nämlich kein Ritual. Für mich ist ein Ritual etwas, was in den Alltag eingeführt wird, ganz bewusst, man muss sich dafür entscheiden. Eine Gewohnheit ist für mich etwas, was auch einfach so passieren kann – Das ist mir zur Gewohnheit geworden – ohne dass man es aktiv vorhatte. Das Ritual ist aktiv, selbst bestimmt.
Sagt „Hallo“ zum Zuckerjunkie
Ein kleiner privater Einblick zu meiner vergangenen Gewohnheit. Ich hatte es mir angewöhnt jeden Abend Süßigkeiten zu essen, jeden einzelnen Abend. Ich habe es geliebt Süßigkeiten zu kaufen, bunte Haribo-Tüten mit nach Hause zu nehmen. Süßigkeiten wurden zu meiner Leidenschaft, ich kannte sie alle. Oftmals bemerkte ich, dass meine Gedanken zur Abendzeit um das Thema Süßigkeiten kreisten. Dabei hatte ich sie ja daheim – Also ganz ruhig, sie sind ja da, ich muss nur zum Kühlschrank – Ja, ich habe meine Haribo-Tüten im Kühlschrank gelagert 😊. Irgendwann habe ich sie auch tagsüber gegessen, wenn es stressig wurde oder einfach so, weil ich einfach Süßigkeiten liebte – Nein, weil ich Sie liebe.
Ich liebe Süßigkeiten! Nur weil ich meine Gewohnheit verändert habe und jetzt ein Ernährungscoach bin, bin ich keine komplett andere Person. Meine Ausgangsposition bleibt, auch wenn meine Süßigkeiten jetzt andere sind. Ich habe nach einer gewissen Zeit den Mehrwert entdeckt öfter einmal NEIN zu sagen.
Die unerwiderte Liebe
Irgendwann merkte ich, dass es mir oder meinem Körper, nicht mehr um den Genuss ging. Ich habe immer mehr Süßigkeiten gegessen, fühlte mich danach aber nicht besser. Ganz lange habe ich meinen Konsum mit Floskeln wie – sich einmal etwas gönnen, es war stressig, ach im Urlaub, es ist Wochenenden, nur ein kleiner Snack, aufrechterhalten. Ich habe lange nicht realisiert, dass es mir zur Gewohnheit geworden ist Süßigkeiten zu essen, ohne ein wirkliches Bedürfnis zu haben, ohne dass es irgendeinen Sinn oder Nutzen erfüllt.
Ich habe dann erste Ernährungsberatungen gebucht. Mein Ernährungsplan hieß von 0 auf 100 (oder eher von 100 auf 0) - keine Süßigkeiten mehr. Es war ungefähr so, als würde ich damit meine ganze Identität verlieren. Die Süßigkeiten und ich eine Liebesgeschichte. Die Ernährungsberatung hat nicht funktioniert, ganz einfach. Warum?
1. Meine Ausgangsposition wurde nicht berücksichtigt. Mein Weg ist bezüglich der Süßigkeiten ein anderer als für jemanden, dessen Ziel es ist mehr Gemüse zu integrieren, weniger Fleisch zu essen, mehr zu trinken. Diese Dinge konnte ich einfach integrieren, aber Süßigkeiten sofort weglassen nicht.
2. Meine Standard - Ernährungsumstellungen basierten auf unrealistischen Zielen
3. Der Ablauf war ungesund. Mein Körper hat rebelliert und das nicht nur ein paar Wochen, sondern viele Monate
4. Der Verzicht hat zu massenweise Stress geführt, der die Motivation sinken ließ
Dann habe ich angefangen neue Rituale einzuführen. Neue Abend-Snack-Rituale. Ich habe jetzt abends selbstgemachte Süßigkeiten gegessen, später mit weniger Zucker, noch viel später mit Zuckeralternativen und am Ende mit fast gar keinem Zucker mehr. Irgendwann auch mal abends den Snack weggelassen oder auch ein bisschen Obst gegessen. Meine alte Gewohnheit ist zu einem neuen routiniertem Ritual herangewachsen. Ich habe so lange einen Ersatz für meine alte Gewohnheit gefunden, bis ich das neue Ritual routiniert habe.
Wenn ich jetzt Hunger auf Süßes habe, gehe ich dem Reiz nicht einfach nach, ich warte ab, beobachte und schaue, ob ich vielleicht etwas esse und es auch wirklich genieße, weil es mir tatsächlich und wirklich ein Bedürfnis war, ohne gleich wieder zum Zuckerjunkie zu werden. Ich kann das tun ohne ein schlechtes Gewissen, denn ich habe mich aktiv dazu entschlossen und meine Routine ist jetzt eine andere, das zählt.
Nachhaltigkeit durch kleine Veränderungen
Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit individuell angepassten Ernährungscoachings nachhaltig Ziele erreichen kann, ohne etwas komplett aus dem Leben streichen zu müssen. Man muss die Ausgangssituation respektieren und schauen wie weit Veränderungen möglich sind. Erste Erfolge werden schon mit kleinen Veränderungen, die sich ganz einfach integrieren lassen, sichtbar und sind deutlich nachhaltiger als strikte Pläne, die nur von kurzer Dauer sind.
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